Beiträge mit dem Schlagwort: Hiking

Via Alpina – Tag 8: Fer zälle mit üns Walser

Die Wetterlage ist immer noch zweifelhaft. Die kurze Pause in Turin und der „Sprung“ ins Val Formazza haben leider als Flucht vor der Schlechtwetterzone gar nichts genutzt. Das Regenradar zeigt bedrohlich rot-orangefarbene Flecken über dem Aletschgletscher im nächsten Tal. Hoffentlich bleiben sie da auch hängen. Sicherheitshalber bleibe ich auf der italienischen Seite des Grenzkammes und beschleunige und vereinfache die heutige Etappe etwas. Die erste langweilige Stunde Aufstieg im Wald nimmt mir ein Sessellift ab. Beschleunigung trifft allerdings nicht ganz den Kern der Sache. Die moderne Anlage (aus den 60er Jahren) wird von einem Liftmann gesteuert, der praktischerweise gerade in meiner Pension seinen Frühstückskaffee trinkt. Er nimmt mich direkt mit in seinem rostigen Fiat Panda (fast ähnliches Baujahr wie der Lift), so dass ich um Punkt 8 Uhr als erster Fahrgast in den Lift steige.

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Der Hauptschalter für den Lift setzt nicht nur den ultraschnellen Motor in Bewegung,
sondern auch die Musikanlage, die nun Jack Johnson aus den Lautsprechern an jedem Liftmasten säuseln lässt. Es ist Juli, der Himmel ist grau, es hat 8 Grad, aber hier fühlt es sich jetzt trotzdem fast an wie auf Hawaii – zumindest so lange der Regen weiter im Nachbartal bleibt.

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Er bleibt dort. Den ganzen Tag. Jack Johnson im Lift wirkt offenbar Wunder.

Und falls sich das Wetter doch noch ändern sollte, hält die Hütte ausreichend Bildungsmaterial bereit, sogar einen Sprachkurs – für die Kommunikation mit dem Wandervolk der Walser, das hier früher durchgezogen ist und die Wege über die Pässe angelegt hat.

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Sagersboden > Rifugio Margaroli > Passo di Nefelgiù > Lago di Morasco > Rifugio Città di Busto

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Via Alpina – Tag 7: Gegenverkehr und andere Hindernisse

Es geht doch nichts über eine im frischen Morgentau glitzernde und in bunten Farben blühende Almwiese. Das finden auch die Mücken. Und was für Mücken! Lange Ärmel und eine dicke Schicht Insektenmittel halten eine vom rauen Bergklima gestählte Mücke noch lange nicht vom Stechen ab. Also lieber schnell aus der sumpfigen Gegend raus – wenn da nicht plötzlich lebhafter Gegenverkehr wäre. Und leider keine Ausweichmöglichkeit weit und breit.

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Eine durch die ruhige Bergatmosphäre tiefenentspannte Kuh lässt sich durch nichts und niemanden beschleunigen. Also abwarten und die gemütlich kauende Truppe vorbei ziehen lassen. Eine Viertelstunde später ist dann der Weg auch schon wieder frei. Die exorbitant hohe Insektendichte hat sich nun über dem neuen Bodenbelag, den die Kuhherde hinterlassen hat, nochmals vervielfacht.

Ob es an den Dämpfen der zahllosen frischen Kuhfladen liegt, weiß ich nicht, aber die Wetterlage entspricht den ganzen Tag der einer Waschküche – stickig warm und keine fünf Meter Sicht. Das fast erreichte Flachland kann man kaum erahnen. Kommt der Wetterumschwung noch früher als vorhergesagt?

Dass auch die auslaufenden Voralpen-Hügel noch eine ziemlich anspruchsvolle Wegführung haben, hat den Weg zum nächsten Bahnhof leider etwas blockiert. Kaum ist man von den vielbegangenen Hauptrouten Via Alpina und GTA weg, ist kein Mensch mehr auf dem Weg und selbiger zwischendrin auch mal zugewachsen. Oder er löst sich auf einer Kuhweide einfach in einem Gewirr von zig Trampelpfaden der Almkühe auf. Keiner ist markiert und alle sind lang und sehr gut eingetrampelt. Welcher ist es denn nun?

Am Ende musste also ein freundlicher Autofahrer (mit Rastafrisur und seinem schrumpeligen, schwerhörigen Papa nebst keifendem Hund auf dem Beifahrersitz) aushelfen, um den nächsten Bahnhof (Mondovi‘) und von dort die nächste (Groß-)Stadt zum Aussitzen von zwei Tagen Regenwetter und zum Regenerieren der gequälten Füße zu erreichen.

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Gute 150 km, 3 Länder und die erste Alpenhauptkammüberschreitung reichen auch für die erste Woche.

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Rifugio Garelli > Gias de la Madonna > San Bartolomeo > Sella de Morteis > Pradeboni

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Via Alpina – Tag 6: Génépy, hausgemacht

Es kommt der Tag, da schmerzt erst der eine Fuß und Du verfluchst die nicht enden wollende Schotterstrecke. Dann läufst Du Dir am anderen Fuß eine Blase und Du fragst Dich, warum Du Dich für eine 25-km-Etappe ohne Zwischenhütte entschieden hast. Kurz vorm Ziel und weit nach dem Ende der Kräfte hat sich ein Gebirgsbach wunderbar tief in den Fels eingegraben, das heißt nochmal 300 m runter und genau gegenüber wieder rauf. Als sich endlich eine Stelle findet, um die geplagten Füße im kalten Bach zu kühlen, ziehen auch noch schwarze Gewitterwolken auf.

Aber endlich – Du glaubst schon nicht mehr daran – taucht sie doch plötzlich vor Dir auf, die erlösende Hütte. Und sie liefert – als ob sie es wüsste, welche Qualen sie heute ausgleichen muss – ein phänomenales Programm:

– einen ganzen Schlafsaal als Einzelzimmer (es sind heute nur 3 Gäste da, der Hüttenwirt versteht es selbst nicht) mit frischer Luft und ohne Schnarcher,

– ein 4-Gänge-Menü direkt am Familientisch, das für doppelt so viele Leute gereicht hätte als anwesend sind,

– einen sensationellen Blick zum Sonnenuntergang über das (verfluchte) Tal

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– und ein Gläschen hausgemachten Génépy dazu, um diesen Ausblick noch etwas zu schärfen und die Strapazen des Tages zu verdauen.

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Welche Strapazen? Welche Schmerzen? Waren da welche?

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Limonetto > Col de Tende > Colla di Piana > Passo del Duca > Rifugio Garelli

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Via Alpina – Tag 5: Abstecher in den Himalaya

Kurz auf dem Dach der Welt gewesen heute. Einen Achttausender bestiegen.

Hier der Beweis: Monsieur Citroën hat einst eine Expedition nach China mit ziemlich absurd aussehenden Fahrzeugen beauftragt („Die gelbe Karawane“). Die später verfilmte Dokumentation dazu wurde kostensparend hier gedreht.

Halbwegs himalaya-glaubhaft sieht die Kulisse tatsächlich aus. Die Wege sind nach diversen Felsstürzen auch in abenteuerlichen Zustand.

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Kaum ist man dann vom „Achttausender“ (Rocca dell’Abisso, rechts oben im Bild und erstaunlich gut besucht) wieder abgestiegen, sieht es aber doch gleich wieder sehr europäisch aus, fast heimatlich.

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Die „First-Class-Hütte“ Arrucador kann man nur jedem empfehlen, der hier auch mal einen Himalaya-Gipfel erklimmt.

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Castérino > Baisse de Peïrafiqua > Roche de l’Abisse > Col de Tende > Limonetto

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Via Alpina – Tag 4: Durchs Künstlerviertel

Künstlerisch entfalten kann man sich am besten in Ruhe und Abgeschiedenheit. Das war wohl vor ein paar Tausend Jahren bei den Bronzezeit-Kreativen auch nicht anders. Auf jeden Fall haben sie damals Zeit gefunden, mindestens 40.000 Felszeichnungen zu ritzen.

Ein paar schaue ich mir an (unter strenger Aufsicht des Museums-, ich meine Nationalpark-Personals). Nicht alle 40.000. Es will auch noch ein schneebedeckter (!) Pass bewältigt werden. Die Südalpen wurden von Frau Holle äußerst reich bedacht letzten Winter.

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Vallée des Merveilles – Tal der Wunder

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Refuge des Merveilles > Baisse de Valmasque > Castérino

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Via Alpina – Tag 3: Angekommen bei Mme. Marmotte und M. Chamois

Es wird ernst: Der Anstieg scheint auch nach Stunden kein Ende zu nehmen. Die Täler sind nun mal tief in den Seealpen. Oben belohnt das Panorama, das einst Kriegszone zwischen Frankreich und Italien war. Es liegt schon mal das eine oder andere übriggebliebene Kanonenrohr hier rum.

Die Optionen für das Tagesziel: Wieder runter ins nächste Tal (Soll der mühevolle Aufstieg umsonst gewesen sein?) oder immer geradeaus weiter ins „Tal der Wunder“ zur nächsten Hütte. Ein Hochtal, also oben bleiben. Na klar! Die Sonne scheint, also lieber weiter und höher als kürzer und runter. Ein blaues Wunder ist am Ende des Tages zwar nicht die Entfernung, aber der plötzlich im dichten, mystischen Nebel eingehüllte Cime de Diable. Nomen est omen, das muss wohl so sein.

Nach 12 Stunden Wanderung beneide ich die vielen Weggefährten um mich herum, die den Pas de Diable rasend schnell und laut pfeifend (Mme. Marmotte) oder leichtfüßig springend (M. Chamois) überqueren und nicht keuchend und schleichend wie ich.

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Hinter dem Pass glitzert ein Bergsee mit dem nächsten um die Wette und kurz danach erlöst mich die „Wunder-Hütte“ von den Strapazen.

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Sospel > Pointe des Trois Communes (Authion) > Pas du Diable > Refuge des Merveilles

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Via Alpina – Tag 2: Boule oder Nicht-Boule

Die Stadt ist völlig ausgestorben. Die Läden sind geschlossen und kaum ein Mensch ist zu sehen. Das liegt weniger an dem gerade niedergehenden Regenschauer und auch nicht an der einsamen Gegend, sondern am Boule-Turnier. Dass der Franzose an sich dieses Spiel gerne und ausdauernd spielt, war mir bewusst, aber dass er das am Nationalfeiertag zusammen mit fast allen seinen Kleinstadtnachbarn sogar im strömenden Regen macht, war mir neu. Der positive Nebeneffekt für mich: Schon wieder ein Exklusiv-Dinner. Ich bin als Nicht-Bouler allein im Restaurant, besser gesagt auf der nur durch einen Büro-Geheim-Weg erreichbaren Flussuferterrasse eines Feinkosthändlers mit angeschlossener Snackbar, und blicke auf die mittelalterliche Pont Vieux von Sospel.

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Entschädigung für diverse Regenschauer heute. Erst recht als kurz darauf die Sonne wiederkommt.

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Peillon > Peille > Sospel

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Via Alpina – Tag 1: Weltmeister am Ende der Welt

Die Wege im Hinterland von Monaco führen in andere Länder. Oder nicht.

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Und wenn die Gegend für Public Viewing zu einsam ist, gibt es Private Viewing auf dem Balkon. Mit Private Dinner aus der Sterne-Küche immerhin. Frankreich eben.

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Erstes Ziel erreicht.

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