Vietnam Railway – Bahnfahren im Land der Wasserbüffel

Knapp 1.000 km durch Reisfelder mit halb versunkenen Wasserbüffeln von Ho Chi Minh City nach Da Nang in 17 Stunden.

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Oder: Wie eine geschenkte Fertigsuppe, eine Flasche Wodka und Mangos mit Zucker und Chili eine ziemlich lange und sehr vietnamesische Zugreise retten.

Der „Reunification Express“ verbindet Ho Chi Minh City, also Saigon, im Süden mit der Hauptstadt Hanoi im Norden. 2 Nächte und einen Tag muss man für die gesamte Strecke einplanen. Die Hälfte reicht für Anfänger auch, also 1 Nacht und 1/2 Tag bis Da Nang in Zentralvietnam. Zur Wahl stehen harte Sitze und weiche sowie harte Betten und weiche. Was bei den Sitzen noch stimmen mag (fester Holzsitz vs. klappbarer Polstersitz), ist bei den Schlafwägen eher Verwirrungstaktik: Alle sind ähnlich hart, nur die Anzahl der Liegen pro Abteil unterscheidet sich von 6 zu 4). Dazu gibt es ein weißes (das heißt noch lange nicht sauberes) Laken und eine grüne Decke sowie ein grünes Kopfkissen. Wie sich herausstellen sollte, werden Laken und Decke für jeden Fahrgast gewechselt, das Kissen nicht. Na ja, ein Schlafsack wäre jetzt toll (nicht dabei), aber eine Jacke tut’s auch. Und zur (innerlichen) Desinfektion gab’s am Bahnhofskiosk Wodka – wahlweise vietnamesischen (sehr billig, schmeckt scheußlich) oder – Superior-Klasse! – ukrainischen (fast genauso billig und ähnlich scheußlich).

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Die vietnamesischen Mitreisenden im Abteil sind Gott sei Dank sehr freundlich, besonders der kleingewachsene alte Herr, der in seinem gut gepflegten, gestreiften Schlafanzug ein- und am nächsten Tag auch wieder aussteigt. Es hätte alles viel schlimmer kommen können. Kurz vor der Abfahrt drängen sich noch diverse Familienmitglieder und zufällig im Zug anwesende Bekannte zum Verabschieden gleichzeitig ins beengte Abteil, von denen nicht alle so ordentlich und wohlriechend erscheinen wie der reisende Senior. Alle finden aber rechtzeitig ihren Platz bzw. die Ausgangstür.

Der Zug führt neben den 15 Schlaf- und Sitzwaggons auch noch einen Speisewagen mit, den man sich fast wie das rollende Pendant zur Streetfood-Küche in Saigon vorstellen kann. Spät abends sitzt das verbliebenene Publikum aus allen Teilen Vietnams, aus Russland und sonstwoher mehr zum Trinken hier als zum Essen und es türmen sich Bierdosen auf und unter den Tischen. Auch ohne Bestellung bringt das leicht gelangweilte Servicepersonal aufgeschnittene Mangos mit Zucker und Chili als Gratisbeigabe zum Bier. Ähnlich wie beim Straßenessen betrachtet man auch hier lieber das appetitliche Endergebnis und sieht besser dezent über die Methoden der Zubereitung hinweg. Ob das Schneidemesser für die Mango am vergilbten Fenstervorhang abgeputzt wurde oder nicht, interessiert doch keinen.
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Die Nachtruhe ist erstaunlich entspannt trotz Geruckel und Gezuckel durch Stadt und Land und wird erst von dem Gewühl des 80-jährigen in seinem Gepäck beendet. Um 6 Uhr morgens beginnt er den Tag mit einer würzigen Fertigsuppe und gibt freundlicherweise seine Reservepackung davon ab. Ich nehme mir ein Beispiel an den morgendlichen Essgewohnheiten und fülle die geschenkte Styroporschalenmahlzeit an der Heißwasserstation auf. Heiß ist dort auch eindeutig heiß, während kalt möglicherweise auch warm sein könnte.
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Die scharfe Nudelsuppe macht wach und verdrängt gleichzeitig den Gedanken an den ukrainischen Wodka vom Vorabend. Warum schon um 6 gefrühstückt wird im Vietnam Railway Schlafwagen, bleibt allerdings ein Rätsel. Vermutlich um bis zum Aussteigen gegen Mittag keines der kilometerlangen Reisfelder und keinen der massenhaft darin watenden Wasserbüffel vor dem Fenster zu verpassen.

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