Es geht doch nichts über eine im frischen Morgentau glitzernde und in bunten Farben blühende Almwiese. Das finden auch die Mücken. Und was für Mücken! Lange Ärmel und eine dicke Schicht Insektenmittel halten eine vom rauen Bergklima gestählte Mücke noch lange nicht vom Stechen ab. Also lieber schnell aus der sumpfigen Gegend raus – wenn da nicht plötzlich lebhafter Gegenverkehr wäre. Und leider keine Ausweichmöglichkeit weit und breit.
Eine durch die ruhige Bergatmosphäre tiefenentspannte Kuh lässt sich durch nichts und niemanden beschleunigen. Also abwarten und die gemütlich kauende Truppe vorbei ziehen lassen. Eine Viertelstunde später ist dann der Weg auch schon wieder frei. Die exorbitant hohe Insektendichte hat sich nun über dem neuen Bodenbelag, den die Kuhherde hinterlassen hat, nochmals vervielfacht.
Ob es an den Dämpfen der zahllosen frischen Kuhfladen liegt, weiß ich nicht, aber die Wetterlage entspricht den ganzen Tag der einer Waschküche – stickig warm und keine fünf Meter Sicht. Das fast erreichte Flachland kann man kaum erahnen. Kommt der Wetterumschwung noch früher als vorhergesagt?
Dass auch die auslaufenden Voralpen-Hügel noch eine ziemlich anspruchsvolle Wegführung haben, hat den Weg zum nächsten Bahnhof leider etwas blockiert. Kaum ist man von den vielbegangenen Hauptrouten Via Alpina und GTA weg, ist kein Mensch mehr auf dem Weg und selbiger zwischendrin auch mal zugewachsen. Oder er löst sich auf einer Kuhweide einfach in einem Gewirr von zig Trampelpfaden der Almkühe auf. Keiner ist markiert und alle sind lang und sehr gut eingetrampelt. Welcher ist es denn nun?
Am Ende musste also ein freundlicher Autofahrer (mit Rastafrisur und seinem schrumpeligen, schwerhörigen Papa nebst keifendem Hund auf dem Beifahrersitz) aushelfen, um den nächsten Bahnhof (Mondovi‘) und von dort die nächste (Groß-)Stadt zum Aussitzen von zwei Tagen Regenwetter und zum Regenerieren der gequälten Füße zu erreichen.
Gute 150 km, 3 Länder und die erste Alpenhauptkammüberschreitung reichen auch für die erste Woche.

Rifugio Garelli > Gias de la Madonna > San Bartolomeo > Sella de Morteis > Pradeboni

