Madrid. Zentraler Punkt in Spanien. Wohin reist man von hier aus weiter, wenn man in allen Himmelsrichtungen schon viel gesehen hat, aber noch ein paar Tage länger im Land bleiben will? San Sebastián war ein sehr angenehmer Start, Andalusien unglaublich eindrucksvoll, besonders Sevilla, aber auch Granada, Córdoba, Cádiz, Málaga,… Barcelona kenne ich schon länger.
Vielleicht in die alte Hauptstadt Toledo? Salamanca ist auch ganz vorn auf der Empfehlungsliste? Oder Zaragoza? Was ist mit Bilbao? Es gibt noch so viel. Allmählich zu viel für eine Besichtigungstour nach der anderen. Doch lieber raus in die Natur? Oder beides kombinieren? Interessante Erlebnisse gibt es überall. Schwierige Entscheidung. Also Zeit für ein Zufallsexperiment.
Es gibt keine Buchung für heute Abend und die nächsten Tage. Ich fahre ohne Plan zum Bahnhof Madrid-Chamartín und nehme den nächsten Zug, der von dort abfährt und überlasse es dem Schicksal, wohin es mich dann verschlägt. Wenn ich in den Bahnhof trete, suche ich den nächsten Zug auf der Anzeigetafel aus, der erreichbar ist mit Ticketkauf (auch mit Interrail-Ticket braucht es in Spanien in der Regel noch eine zusätzliche Reservierung). Also +15 min auf der Bahnhofsuhr und der Zufall soll über das nächste Ziel entscheiden.
Hoffentlich eine (schöne) Überraschung…..
Es ist 15.40 als ich im riesigen Chamartín-Bahnhof stehe und die Anzeigen sehe. Lleida ist wohl kaum zu schaffen bei der Schlange an den wenigen Sonntags-Ticketschaltern, also:
Badajoz (über Talavera de la Reina, Navalmoral de la Mata, Monfragüe, Cáceres und Mérida)
Da fährt der nächste Zug in genau 20 Minuten hin. Zu keiner dieser Städte habe ich auch nur irgendeine Ahnung, was es dort gibt und wo sie überhaupt liegen. Ich konsultiere die Interrail-Landkarte und Pocket Earth, meinen Smartphone-Reiseführer: Aha, in Extremadura, einer ziemlich einsamen Region, die in der Spanien-Beschreibung gerade mal unter „Sonstiges“ auftaucht und so dünn besiedelt ist wie kaum ein anderes Gebiet in ganz Europa. Mérida ist immerhin die Hauptstadt der Region, hat aber nur 50.000 Einwohner und seit den Römern ist dort nicht mehr viel passiert. Das spektakulärste an Badajoz scheint die Nähe zur portugiesischen Grenze zu sein. Auch der Weg in diese Region bringt schon mal etwas Ruhe ins aufgewirbelte Gemüt nach den letzten Tagen in Huertas mitten im Millionengewühl von Madrid. Zitat: „Leider sind die Züge in diese Region recht langsam. Allerdings führt die Reise durch spektakuläre Landschaften, wenn Zeit keine Rolle spielt.“ So weit, so gut, das klingt doch schon mal nicht so schlecht.
Bis Badajoz fährt man fünfeinhalb Stunden. Und in ein paar Tagen fahre ich vermutlich die gleiche Strecke auch wieder zurück, viele Alternativen gibt es nicht, hier hört fast die Welt auf. Die meisten Städte auf der Strecke kommen in meinem Reiseführer nicht vor, das Handynetz ist so schlecht, dass ich leider auch nichts googeln kann. Die Sitznachbarn helfen auf die Fragen nach der schönsten Stadt in der Gegend und nach Bergen zum Wandern auch nicht besonders viel weiter und schauen mich nur mit verwunderten und etwas ländlich-treudoofen Blicken an als ich sage, dass ich noch nicht weiß, wo ich heute hinfahre. Die Gegend sei überall mehr oder weniger gleich und jede Stadt, die ich aufzähle wird nur mit einem Nicken und „Sí, es bonita“ quittiert. Die Menschen in dieser Gegend kommen möglicherweise nicht viel raus. Ist ja auch kein Wunder bei dieser Verkehrsanbindung.
Also, fassen wir zusammen: Aus Badajoz bleibt einem offenbar nur die Flucht nach Portugal, die Hauptstadt Mérida kann auch nichts wahnsinnig Besonderes, aber die Gegend kurz vor Cáceres sieht zumindest beim Blick aus dem Fenster schon sehr vielversprechend aus.
Und ein UNESCO Weltkulturerbe ist die Altstadt auch. Vier statt fünfeinhalb Stunden Fahrt in Richtung Outback reichen auch, also Aussteigen!
Und die Vorteile der abseitigen Lage zeigen sich sofort: Für diesen Blick auf die Weltkultur aus dem klimatisierten, sehr gepflegten Hotelzimmer sind ganze 36 Euro zu bezahlen. Und der Weg von hier aus weiter soll noch ganz andere Optionen für die nächsten Tage eröffnen….



Pingback: Straßen der Welt: Folge 13 – Calle Parras / Plaza Obispo Galarza / Calle Moret | Komm in die Gänge